Mit 18 Jahren brach Matthias Kästner per Anhalter das erste Mal nach Portugal auf und es war von Anfang an eine große Liebe zu Land und Leuten, sodass er immer wieder dort hin zurück reiste.
Nach einem Winteraufenthalt im Jahr 2013 brachte Matthias seinen Freunden und Bekannten ein ganz besonderes Souvenir mit – und zwar 5 Kisten feinster, unbehandelter Orangen.
Die Qualität überzeugte nicht nur im Freundeskreis – schnell war die Nachfrage so groß, dass Matthias sich einen Sprinter und Anhänger zulegte, damit nach Portugal und wieder zurück tourte, und das feine Obst & Gemüse aus seiner kleinen Garage in Winnenden heraus verkaufte. Das Projekt "Pois" war geboren.
Aus dem Garagenverkauf hat sich in den letzten Jahren schnell ein Unternehmen entwickelt. So gibt es inzwischen den Hofladen in Winnenden und das Ladengeschäft im Fluxus. Zudem sind inzwischen über 100 Bauern und Erzeuger, wovon Matthias jeden einzelnen persönlich kennt, Teil des Projektes und werden für ihre Arbeit und die hohe Qualität der Produkte fair entlohnt.
"Pois", so Matthias, heißt auf Schwäbisch übersetzt: “Ha jo, auff, des mach`mer!“ Also eine offensive Bejahung und etwas umweglos in die Tat umsetzen. Ohne Umwege – so kommen die völlig unbehandelten Produkte aus Portugal direkt hier an. Matthias möchte damit nicht nur aufzeigen, dass fairer Handel in Europa durchaus möglich ist, sondern vor allem auch die Kleinbauern - und Erzeuger im Süden Portugals unterstützen.
Doch nicht nur durch die Leitlinien der Qualität und der vorbildhafte faire Handel zeichnet "Pois" aus, es ist auch Wegweiser in Sachen Nachhaltigkeit: Es wird nur das importiert was auch vom Endverbraucher bestellt wurde und somit wird der Lebensmittelverschwendung vorgebeugt. Sollten doch mal zu viele überreife Früchte oder Gemüse mit Macken überbleiben, so wird daraus beispielsweise Marmelade oder leckeres Ratatouille hergestellt.
Seitdem ich das erste Mal die Früchte bei Pois probiert habe, möchte ich kaum andere mehr.
Guter Geschmack mit gutem Gewissen – eine perfekte Verbindung.
Lieber Matthias, erzähle mir ein bisschen über dich und deinen bisherigen Werdegang
Ich komme ursprünglich aus Oberndorf am Neckar und bin ausgebildeter Industriekaufmann.
Relativ früh habe ich aber gemerkt, dass mein Ding doch eher die Musik ist. Viele Jahre habe ich als DJ und Konzertveranstalter gearbeitet und in den 90er Jahren das „Strange Noise“ Open Air Festival bei Trossingen veranstaltet, zuletzt mit über 50.000 Besuchern.
Als ich 40 wurde habe ich für mich beschlossen, dass ich nochmal etwas komplett anderes starten möchte. Da ich schon immer sehr politisch und sozial engagiert war, hatte ich den Wunsch mich in dieser Richtung auch in der Arbeit zu finden.
Was ist deine Verbindung zu Portugal?
Als ich 18 Jahre war hielt ich eine Karte von Europa in der Hand und sagte mir „da unten, wo die Welt zu Ende ist, da will ich hin!“
Also habe ich eines Tages meinen Rucksack gepackt und mich an die Autobahn bei Oberndorf gestellt und bin los getrampt. Nach 6 Tagen war ich dort und von Anfang an fasziniert von dem Land und den Menschen dort.
Diese Zeit in Portugal war für mich so unglaublich einnehmend und prägend, dass ich immer wieder dort hin zurück gekehrt bin.
Mit Pois habe ich die Möglichkeit den tollen Menschen da unten zu helfen und ihnen die Möglichkeit zu geben ein gutes Geld mit ihren Produkten verdienen.
Was ist die Idee hinter Pois?
Die Idee zu Pois kam 2013 durch einen mehrwöchigen Winteraufenthalt in Portugal, wo ich mich viel mit den Bauern und Erzeugern an der Algarve unterhalten habe und sie mir ihr Leid klagten, dass es ihr Obst und Gemüse durch das große Agrarland Spanien nicht nach Mitteleuropa schafft und sie zudem kaum mehr Geld für ihre Produkte bekommen.
In diesem Urlaub habe ich einfach mal 5 Kisten Orangen in mein Auto gepackt und sie zu Hause an meine Freunde verteilt. Das Feedback darauf war durchweg so postiv, dass viele meinten sie möchten nur noch diese Orangen haben.
So kam mir die Idee, 3-4 mal im Jahr mit Sprinter und Hänger herunterzufahren um für den Freundes- und Bekanntenkreis Zitrusfrüchte mitzubringen und dadurch die Bauern in Portugal zumindest ein kleines bisschen unterstützen zu können.
Da sich die Geschichte mit den Orangen sehr schnell herumgesprochen hat, wurde Pois schnell größer und größer. Und da Portugal noch so viel mehr als tolles Obst und Gemüse hat, kam zuerst noch Honig dazu, dann Feigen-Mandel-Leibchen und Marmeladen.
Diese Produkte habe ich dann in meiner Garage in Windenden verkauft, was allerdings schnell zu klein wurde. So mietete ich mir ein Lager an, welches heute auch der Hofladen ist und habe zudem einen kleinen Laden im Fluxus in der Calwer Passage.
Im Moment sind insgesamt 107 portugiesische Bauern und Erzeuger in dem Projekt dabei – hauptsächlich aus dem Süden Portugals – und ich kenne alle persönlich.
Das Repertoire ist größer geworden: Neben dem Obst und Gemüse bietet Pois unter anderm auch Nüsse, Käse, diverse Manufakturwaren wie Marmeladen, Chutneys, Honig, Limonadenbasen, Olivenöl, Fischtapas, Salze und inzwischen auch verschiedene Weine. All diese Produkte kommen direkt vom Erzeuger und sind somit keine Industrieware.
Wie ist der genaue Ablauf von Bestellung bis Lieferung?
Das Projekt Pois lebt von den Bestellphasen von November bis Juni. Alle 5-6 Wochen kann man auf unserer Webseite bestellen und es gibt in Baden Württemberg und Rheinland Pfalz insgesamt 35 Abholstellen wo der Kunde in einem bestimmten Zeitraum seine bestellte Ware abholen kann. So liefert Pois 30-40 Tonnen Frischware pro Auslieferung ab.
Inzwischen haben wir an der Südalgarve 2 freie Mitarbeiter und ein großes Lager, zu dem alle Bauern die bestellten Produkte anliefern. Dort wird dann alles auf Paletten gepackt und per Kühlspedition zu uns gebracht.
Was magst du an Stuttgart?
Als ich vor 12 Jahren hier in die Region gezogen bin war das erste Jahr ziemlich schräg für mich hier.
An die Stuttgarter heranzukommen war schwer, Jemand der von aussen kommt braucht viel Geduld bis sich die Menschen hier öffnen. Wenn es dann soweit ist, merkt man aber auch schnell wie toll die Menschen hier sind und wieviel Potential auch in der Stadt Stuttgart steckt.
Ich war sehr lange in der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 aktiv und habe dadurch ein großes soziales Netzwerk bekommen.
Auf diese Bewegung kann Stuttgart stolz sein, auch wenn es mittlerweile nur noch eine Handvoll Leute sind, die auf die Strasse gehen – sie bleiben dran.
In der Stadt mag ich sehr gerne das Galao, das Fluxus und sitze gerne am Palast der Republik.
Muito obrigado, lieber Matthias, für das Interview!
Pois – natürlich Portugal.
Matthias Kästner
Hofladen
Karl-Krämer-Str. 23
71364 Winnenden
Mo - Fr 15 - 19 Uhr
Sa 09 - 14 Uhr
Pois@Fluxus
Calwer Passage
70173 Stuttgart
Mo - Fr 11 - 19Uhr
Sa 10 - 19 Uhr
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