Als kleines Mädchen stand Julie Kohlhoff in Frankreich vor einer großen Vitrine gefüllt mit wundervollen Macarons in den schönsten Farben. Ihre Mutter meinte, sie dürfe sich eines davon aussuchen. Doch die Auswahl stellte für Julie eine fast unmögliche Aufgabe dar. Die wunderschönen, perfekten Formen und Farben der Macarons waren so magisch, dass sie sich einfach nicht entscheiden konnte...
... Ähnlich wie Julie ging es auch mir als ich das erste Mal in dem neuen Shop des Stuttgarter Modelabels macarons in der Liststrasse im Stuttgarter Süden stand. Ich war hingerissen von den intensiven Farben, den besonderen Schnitten und musste die Stoffe immer wieder berühren, weil sie sich so gut anfühlen.
Im Jahr 2011 gründeten Julie und Veit Kohlhoff das Kindermodelabel – das inzwischen auch erfreulicherweise eine Kollektion für Erwachsene hat – und machten dabei von Grund auf einen entscheidenden Unterschied was die Themen Bio, Fairtrade und Nachhaltigkeit angeht. macarons ist also viel mehr als nur ein Label – es steht für Slow Fashion und setzt ein Statement hinsichtlich Ökologie, Qualität, Tierschutz, Umwelt, Regionalität und fairen Arbeitsbedingungen.
Die Garne werden exklusiv gesponnen, gefärbt, und auf der Schwäbischen Alb auf alten Rundstrickmaschinen zu den Stoffen weiterverarbeitet. Beim Nähen wird auf Zero Waste wert gelegt. Kleine Stoff- Abfälle werden recycelt indem sie zu kleinen Tieren, Accessoires oder Schlüsselanhängern weiter verarbeitet werden.
Julie & Veit sind nicht nur erfolgreiche Unternehmer sondern auch Eltern von 3 Kindern. Während ich dort war und fotografierte sprangen 2 der 3 Kinder vergnügt herum, halfen beim Verpacken der Bestellungen, spielten, tanzten.
Mit einer selbstverständlichen und erfrischenden Leichtigkeit sind die Kinder im Laden - und Arbeitsgeschehen mit dabei, was ich persönlich sehr schön und inspirierend fand. Die große Tochter sitzt ab und zu schon an der Nähmaschine und entwirft kleine Dinge aus den schönen Stoffen. Da steigt doch gleich die Aussicht auf einen Mehrgenerationenbetrieb und dass aus macarons ein traditionsreiches Familienunternehmen wird, welches uns hoffentlich noch sehr lange erhalten bleibt.
Liebe Julie, lieber Veit, erzählt mir ein bisschen über Euch, euren bisherigen Werdegang und wie die Idee zu macarons kam.
Julie: Ich bin aus Düsseldorf und habe französische Wurzeln. Meine Mutter ist Französin und ich kam durch unsere häufigen Besuche in Frankreich früh mit dem Thema Mode in Kontakt.
Mir fiel schon als junges Mädchen auf, dass dort so viel lustvoller mit den Thema Mode umgegangen wird und es einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland hat, wo die Mode gerne unter dem Aspekt der Praktikabilität gesehen wird.
In Düsseldorf habe ich schon immer im Modebereich gejobbt und nach dem Abitur eine Ausbildung zur Handelsbetriebswirtin in einem bekannten großen Modekaufhaus gemacht und dort alle Stationen durchlaufen.
Nach der Ausbildung habe ich Mode- und Designmanagement studiert und im Eigenmarken-Bereich desselben Modekaufhauses gearbeitet. Dort habe ich die Kindermode betreut und war öfter in dessen Produktionsländern China, Indien und Bangladesh unterwegs.
Veit und ich haben in dieser Zeit viel über die dort herrschenden Verhältnisse diskutiert. Selbst ein Teil dieses ganzen Systems zu sein und etwas zu tun, was der Umwelt und den Menschen schadet, war sehr schwer mit meinem Gewissen zu vereinbaren und es kam der tiefe Wunsch auf, irgendetwas anders zu machen, auch wenn es nur ganz im Kleinen ist.
So kam es, dass Veit und ich unsere Jobs an den Nagel gehängt haben und uns auf die Suche nach Alternativen machten.
Zu dieser Zeit war ich schwanger mit unserer ältesten Tochter und dadurch war Baby- und Kinderkleidung natürlich ein Thema und wir konzentrierten uns auf die Suche nach Textilherstellern die mit Naturmaterialien ohne synthetische Beimischungen arbeiten. Relativ schnell sind wir auf Firmen gestoßen deren Produkte zwar biologisch, jedoch sehr funktional sind, und es fehlte uns die spielerische und lustvolle Art damit einen Schritt weiterzugehen.
Wir waren viel auf Stoffmessen auf der Suche nach Textilien im Bio Segment und haben festgestellt, dass alles irgendwie relativ langweilig ist und das Alleinstellungsmerkmal fehlt.
Bei den Naturtextil-Herstellern ist Gesundheit und Nachhaltigkeit oberste Prämisse und das Design spielt eher eine untergeordnete Rolle. Im Fashion Bereich wiederum geht es nur darum wie die äußere Hülle aussieht. Was genau in den Materialien drin steckt ist mehr oder weniger egal.
Wir stellten uns also die Frage: Wie kann man in ein schönes Naturmaterial mit Form und Farbe einen gesteigerten Wow-Effekt reinbringen.
Veit: Ich bin in Stuttgart geboren und auch aufgewachsen. Mit 16 bin ich für ein Auslandsjahr in die USA gereist und es hat mir dort so gut gefallen, dass ich bis zu meinem Schulabschluss geblieben bin.
In Paris und New York habe ich BWL und VWL studiert und später als Unternehmensberater mit Schwerpunkt Industrie und Maschinenbau in Osteuropa gearbeitet.
Obwohl ich damals schon relativ frei gearbeitet habe, war immer der Wunsch und das klare Ziel da, irgendwann mal etwas Eigenes zu machen.
Da Julie ja in der Mode groß geworden ist und viele Ideen hatte, kamen wir eines Tages auf das Thema Mode. Die Thematik lag auch mir nahe, da ich eine gewisse Prägung von zu Hause mitbekommen habe. Ich komme aus einem Architektur-Haushalt und meine Mutter besaß eine große Textilsammlung und einen sehr großen Wissensschatz was Stoffe und Mode betrifft. Es hat mich also schon immer interessiert und gewisse Kenntnisse waren vorhanden, trotzdem war es für mich ein großer Quereinstieg.
Was ist das Besondere an macarons, was zeichnet euch aus und auf was legt ihr besonderen Wert?
Julie: Das Besonderste an macarons ist die Kombination aus Design und einem guten Unternehmertum hinsichtlich der Ethik, der sozialen Komponenten, der fair gehandelten Materialien und dem regionalen Aspekt.
An dem Label selbst ist die Farbwelt sehr einzigartig, die besonderen Oberflächen und Strukturen und die zeitlose Formsprache.
Mode muss unserer Meinung nach auf seinen Grundpfeilern 100 Prozent bio, fair und nachhaltig sein und sie muss anders sein, sollte auffallen und überraschen. Und das erstmal ganz unabhängig davon ob es für eine breite Masse ist. Uns war von Anfang an klar, dass wir uns damit noch in einer Nische befinden, die mittlerweile aber erfreulicherweise stark wachsend ist, da die Menschen sich immer mehr Gedanken darüber machen.
Viele beginnen in der Hinsicht erstmal mit dem Thema Ernährung, was ich persönlich auch sehr wichtig finde.
Der zweite Schritt ist dann die Frage was liegt denn auf unserem größten Organ, der Haut.
Wir schaffen eine Balance zwischen hochwertigen Naturmaterialien und interessantem Design und möchten zeigen, dass das eine das andere nicht ausschließen muss.
Die Mode von macarons hat einen generationsübergreifenden Gedanken. Von Baby & Kind, Teenager, Damen, Herren, bis hin zu den Großeltern – Unser Kundenstamm ist sehr vielschichtig, das gefällt uns gut.
Erzählt mir etwas über den Herstellungsprozess – wie kommt es von der Idee zum Endprodukt?
Julie: Meistens beginnen wir in der Tat mit dem Textil bevor wir uns an das Design setzen.
Wir beziehen die Rohmaterialien über deutsche Spinnereien und achten dabei streng auf die Kriterien des GOTS Siegels. Das ist das Siegel, das nicht nur die biologisch-fairen Komponenten prüft sondern auch die sozialen Bedingungen.
Unsere Biobaumwolle kaufen wir nach der Qualitätsstufe ein, für uns ist es wichtig dass diese aus dem ganz oberen Segment ist. Unsere Merino Wolle kommt aus Patagonia und ist mulesing-free, weil wir auch da streng auf eine gute Tierhaltung achten. Wir schauen uns die Wolle genau an, sie muss Spannkraft haben, schön umgeben von Lanolin Fett und sich schön kräuseln – das sind die Erkennungszeichen, dass die Wolle von einem gesunden, vitalen Schaf stammt. Beim Tragekomfort macht sich das stark sichtbar.
Wenn wir dann die Rohmaterialien haben, die wir von den Spinnereien beziehen, geht es erstmal in die Färberei. Für jede Saison und jede Kollektion entwickeln wir im Designteam eine Farbpalette. Auch die Farben sind allesamt biozertifiziert und chemiefrei.
Wenn die Farb-Garne dann stehen, geht es weiter zur Strickerei wo wir erste Tests mit den Strukturen machen, die wir im Kopf haben, und wir versuchen diese auf der textilen Fläche zu übertragen. Wir begleiten das dann weiter bis hin zu den Ausrüstern. Dort wird ein fertig gestricktes Textil dann nochmal gespannt und gedehnt.
Parallel setzten wir uns zusammen an die Entwürfe. Wir arbeiten mit einer jungen Designerin aus der Modeschule Stuttgart zusammen, die sehr gut unsere Stilistik versteht. Mit ihr zusammen machen wir dann die ersten Zeichnungen. Wir sitzen an einem großen Tisch, holen unser schlaues Buch heraus, in dem wir regelmäßig das Feedback von den Kunden und Einzelhändlern notieren, und es wird wild diskutiert. Alles in allem ein sehr lebendiger Prozess. Wenn uns die ersten Musterstoffe erreichen, beginnen wir hier im Atelier mit den Test-Entwürfen. Manchmal sitzt es sofort, manchmal wird korrigiert, geändert, verworfen.
So entsteht dann langsam eine kleine, runde Kollektion die dann auf Messen präsentiert wird. Das, was dann dort geordert wird, kommt in die letztendliche Kollektion, das heißt in die Konfektion, wo die einzelnen Teile dann genäht werden.
Wir glauben, dass die Stärke des Teams sehr entscheidend ist. Jeder Einzelne bringt etwas mit ein, was im Endeffekt für das Gelingen des Projektes wirklich wertvoll ist.
Was mögt ihr an Stuttgart?
Julie: Als Rheinländerin habe ich mir lange Zeit relativ schwer getan hier anzukommen.
Ich fand immer, dass eine unkomplizierte Offenheit, im ganz normalen lockeren Ansprechen von Menschen, hier wesentlich schwerer fällt. Was ich allerdings mit der Zeit festgestellt habe ist, dass der Stuttgarter an sich ein unheimlich treuer, ehrlicher Freund ist mit einer gewissen Bodenständigkeit, die ich gerade auch im Bezug auf die Freundschaft ganz toll finde.
Was ich auch sehr schön finde, ist diese besondere Architektur von der noch so viel erhalten ist. Gerade auch dieses Viertel hier mit den wunderschönen Häusern, in der ein Anklang der alten Zeit herein spielt, finde ich sehr besonders. Und umringt zu sein von so viel Grün – trotz städtischem Leben hat man jederzeit die Möglichkeit zu entweichen. Egal ob in die nahegelegenen Wälder oder auf die Alb wo man ein super Erholungsgebiet direkt im Umfeld hat und schöne Ausflüge mit der gesamten Familie machen kann.
Veit: Durch die neue Brille des dreifachen Familienvaters sehe ich Stuttgart ganz anders als vor 10 oder 20 Jahren. Da ändern sich natürlich die Interessen.
Was früher die Großstadt und das Stadtleben war, ist heute der Bezug zur Natur, der den größten Stellenwert bekommen hat.
Stuttgart hat sich meiner Meinung nach über die letzten Jahre super gut entwickelt und es hat sich einiges getan. Man vermisst ab und zu vielleicht ein bisschen mehr Größe und ein größeres Angebot zum Beispiel im Gastro - Bereich. Trotzdem schätze ich die Übersichtlichkeit und dass alles relativ leicht zu erreichen ist.
Vielen Dank, liebe Julie und lieber Veit, für das Interview, und Danke für eure Visionen und den Mut zum Unterschied.
macarons
EDIT: Inzwischen ist der Laden in der Liststraße leider geschlossen, doch die schönen Sachen sind selbstverständlich weiterhin online zu haben.
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